Gerhard
🗯️ Eine rein auf meiner subjektiven Empfindung und Erfahrungen resultierende Meinung ohne Anspruch auf Richtigkeit
ME/CFS ist seit 1969 als neurologische Erkrankung klassifiziert. Unzählige neuere Studien und Untersuchungen, sowie die Ergebnisse neuester Forschungsprojekte ergeben eindeutig, dass ME / CFS ganz klar eine schwerwiegende und vielschichtige organische Erkrankung darstellt.
Und trotzdem vertreten immer noch eine Mehrzahl der Ärzte und Entscheider im sozialen Bereich die Meinung, es handle sich hier um eine psychische Erkrankung und tragen dadurch wesentlich zu gravierenden Fehlbehandlungen, weiterem großen Leid und Stigmatisierung von Betroffenen bei.
Es wird in der Öffentlichkeit, in Fachkreisen und in Publikationen von Interessenvertretungen immer wieder die Begründung angeführt, dies sei auf mangelnde Aus- und Fortbildung von medizinischem Personal zurück zu führen.
Ich möchte hier meine subjektive, aber ganz andere Meinung darstellen.
Es kann nicht sein und es ist vermutlich auch nicht so, dass diese Krankheit beim medizinischen Fachpersonal nicht bekannt ist.
Vielmehr ist dort sehr wohl bekannt, wie schwer, belastend und aufwendig diese Krankheit ist. Hier meine ich nicht schwer, belastend und aufwendig für den Patienten, sondern für die Behandelnden.
Und das gekoppelt mit einer nur sehr geringen Aussicht, Erfolge und ordentliche gute Renditen damit zu erzielen.
Ich habe selbst meine Diagnose Mitte bis Ende 1990er Jahre erhalten. Ich hatte damals das große Glück, dass bei meinem Hausarzt zu der Zeit ein Partner mit arbeitete, der früh in diese Richtung diagnostizierte und die ganzen Ausschlussuntersuchungen veranlasste. Was ich im Zuge dieser Untersuchungen von verschiedensten Ärzten diffamierendes erlebt habe wäre ein separater Bericht wert.
Aber ich bekam auf diese Weise meine Diagnose.
Bald danach hat sich der behandelnde Arzt von meinem Hausarzt getrennt um sich weiter entfernt selbständig zu machen.
Bereits bei meinem ersten folgenden Besuch, hat mir nun mein Hausarzt mitgeteilt, dass er mich nicht weiter in der Sache behandeln könne, da es die bisherige Diagnose gar nicht gebe und das ganze sowieso psychisch ist.
Änderst ausgedrückt:
Die Jahre, welche sein Partner die ganze Arbeit übernahm, war das Geld meiner Krankenkasse und teilweise auch das meinige, willkommen. Aber er macht sich diese Arbeit sicherlich nicht. Da muss eine andere Lösung her.
Also hat er mich an einen guten, angeblich kompetenten Arzt und Psychotherapeut aus dem Bekanntenkreis weitergereicht, welcher mich zu einer ausgiebigen Begutachtung an eine Psychologin überwies. Diese bescheinigte mir nach einer sehr langen Untersuchung, dass bei mir keine psychische Störung vorliege. Sie hat mir aber auch gesagt, dass ich mit meinem Beschwerdebild immer wieder mit dieser Beurteilung konfrontiert werden würde.
Warum sie das sagte, habe ich damals noch nicht verstanden. Aber sie hatte recht.
Und immer wieder wurde mir am Ende vom psychiatrischen Behandler bescheinigt, dass meine Beschwerden keine diesbezügliche Ursache haben.
Ich habe dann den ursprünglich ME / CFS diagnostizierenden Arzt ausfindig gemacht und nochmal besucht. Er hat mich an eine andere Ärztin in der Region verwiesen, welche eine Behandlung in seinem Sinne weiterführte. Zusammen mit ihr, habe ich mir noch oft den Kopf an der verbreiteten angeblichen Meinung der Mehrzahl von Ärzten schmerzhaft gestoßen.
Auch das wäre ein separater Bericht wert.
Entsprechend begann für mich ein langer Leidensweg und ich wurde zeitweise gezwungen die angebliche psychische Ursache meiner Beschwerden zu akzeptieren, um an für mich überlebenswichtige Leistungen zu kommen.
Aber ich hatte in meiner ME / CFS Laufbahn auch viele Gespräche mit Vertretern verschiedenster Medizinrichtungen. Es waren in der Regel Gespräche unter vier Augen und oft nach dem Aufbau einer persönlichen Bindung über das normale Patienten – Arztverhältnis hinaus.
Langsam wurde mir klar, dass die meisten Ärzte sich mit aller Vehemenz von diesen Patienten trennen wollen, da hier nur viel Arbeit und wenige Lorbeeren zu erwarten sind.
Ein Psychologe hat es mir gegenüber klar und deutlich zusammengefasst mit folgender Feststellung:
Ein Arzt hat ein Eid geleistet, seine Patienten im Rahmen seiner Möglichkeiten zu behandeln.
Die einzige Möglichkeit sich davon zu befreien, besteht darin den Patienten an weiter Behandelnde zu überweisen. Doch wohin soll er Patienten wie Sie überweisen, ohne dass sie in kurzer Zeit über die Hintertür wieder zurückkommen?
Er stellte ganz klar die Frage; „Was glauben sie, wieviel Patienten so bei uns landen? Oft habe ich das Gefühl wir sind der Müllhaufen der Medizin, nur weil die zu faul sind ihre Arbeit zu machen“
Seit dieser Zeit habe ich ein etwas anderes Bild darauf, wieso wir ME / CFS Patienten entweder gar nicht oder eben nur sehr unzureichend behandelt werden.
Lange Zeit habe ich nur Hausärzte gefunden, wenn ich ihnen zusicherte, sie mit ME / CFS nicht zu konfrontieren. Nicht ganz einfach, wenn die meisten Beschwerden eben daher rühren.
Aber sie wussten zumindest, dass es in ihrem Interesse sinnvoll ist, sich von solchen Patienten fern zu halten. Also war die Krankheit sehr wohl bekannt.
Meine Hausärzte und meine Krankenkassen hatten es eigentlich gut mit mir. Außer mal einer Krankmeldung wegen Grippe und vielleicht mal ein Blutbild habe ich von ihnen nichts verlangt und auch nicht erwartet.
Ich habe mich in alternative Behandlungen geflüchtet und dort ein kleines Vermögen gelassen. Aber zumindest hat man sich als Mensch behandelt gefühlt.
Doch auch dort hat mich immer wieder der lange Arm der Ärzteschaft oder deren Lobby erreicht, indem sie dafür sorgten, dass Heilpraktikern immer mehr und mehr Behandlungsmethoden untersagt wurden.
Natürlich kann ich heute dieselben Behandlungen auch bei Ärzten als Igel-Leistung erhalten. Nur halt für noch mehr Geld und erst wenn ich ein Arzt gefunden habe, der mich nicht gleich schon im Vorfeld psychologisiert.
Heute habe ich inzwischen ein Hausarzt, der mir auch klar sagt er kennt sich mit dieser Krankheit nicht aus.
Aber er hat sich soweit damit beschäftigt, dass ich mit ihm darüber reden kann und er nimmt mich ernst. Ich kann mit ihm über mögliche Hilfen zur Linderung und Unterstützung reden. Er geht auch mal ein Versuch mit Off-Label Medikamenten mit.
Einen solchen Hausarzt zu finden ist heute schon ein Glücksfall und ich bin ihm sehr dankbar.
Aber ich bin für mich überzeugt, dass weitere Öffentlichkeitsarbeit, Aus- und Weiterbildung und so weiter nichts daran ändern wird, dass die Mehrzahl des medizinischen Personals versuchen wird diese Krankheit zu psychologisieren und somit aus ihrem Zuständigkeitsbereich zu verdrängen.
Ganz nach dem Motto:
Wie können diese „Psychos“ den verlangen, dass wir evtl. in einer Praxis, Reha, Krankenhaus oder bei der Gewährung von GDB, Pflegegrad, Rente oder Hilfsmittel auf die angeblichen Bedürfnisse dieser eingebildeten Krankheit eingehen?
Wo kommen wir denn da dahin?
Wie viele stehen denn morgen vor unserer Tür mit ähnlichen Forderungen?
Tja ich bin überzeugt, wir werden nicht gegen diese Denkweise, bzw. Schutzmechanismen ankommen, solange es nicht ganz klare Marker für diese Erkrankung gibt.
Vorher wird mit Sicherheit diese Krankheit in keinem Leistungskatalog auftauchen. Solange werden sich Ärzte, Gutachter, Entscheider bei sozialen Einrichtungen usw., weiter hinter ihrer angeblichen Unkenntnis verstecken und die Krankheit psychologisieren.
Vorher werden wir nie unseren Beschwerden und Einschränkungen entsprechend behandelt werden.
Doch lasst euch nicht einreden, die schlechte und verachtende Behandlung sei einer mangelnden Kenntnis und Aufklärung geschuldet.
Denn sie wissen wohl was sie tun!
